November, Biezen Wien

Der mittlere Stock heizt gerade, links ist weit kühler und für den Vergleich rechts ist eine leere und somit kalte Beute. Foto von Ingrid Vitali

Der November im Bienenvolk

Mit den kälteren Temperaturen wird die Bruttätigkeit im Bien zurückgefahren. Auch Nektar als Anreiz, Brut anzulegen, wird nicht mehr gefunden, da unter 15°C die meisten Pflanzen keinen Nektar mehr produzieren. Vielleicht gab es bereits die ersten Frostnächte. Dann geht das Bienenvolk überhaupt aus der Brut und zieht sich zu einer dichten Wintertraube zusammen. Fällt die Temperatur in der Wintertraube unter 10°C muss sich das Volk aufwärmen, um nicht zu erstarren. Das erreichen die Bienen mit einem Muskelzittern, für dass sie in kurzer Zeit enorme Mengen an Energie/Honig verbrennen. Bei den sogenannten „Heiz-Peaks“ wird die Wintertraube im Laufe eines Tages auf bis zu 30°C erwärmt. Mit der steigenden Wärme können die Bienen den nun warmen Honig aufnehmen und sich etwas ausrasten für den nächsten Heizzyklus, wenn die Temperatur in den folgenden Tagen wieder fällt.

Arbeiten am Bienenvolk

Die Arbeiten am Bienenvolk sind abgeschlossen. Die Völker sind aufgefüttert, entmilbt (der kritische Schwellwert liegt im November zwischen 5-6 Milben natürlichem Totenabfall pro Tag) und die Beuten mäusedicht verschlossen. Um Schimmel zu vermeiden, empfehlen wir, ohne Folie und mit offenem Gitterboden zu überwintern. Gedämmt wird erst nach der Restentmilbung!

Wer sich dafür interessiert, wie groß die Milbenpopulation – abhängig vom natürlichen Totenfall – ist, die sich im jeweiligen Volk befindet, kann diesen sehr praktischen Rechner verwenden: https://www.ibeekeeper.de/en/imkereiverwaltung/tool/edlinger_varroaindikator
Als Notbehandlung ist auch jetzt noch eine Blockbehandlung mit Oxalsäuresublimierung möglich.

Jetzt achten wir vor allem aufs Wetter: Drei Wochen nach dem ersten Frost kann die Restentmilbung durchgeführt werden, weil mit Einsetzen des Frostes der Bien aufhört zu Brüten. Wenn jetzt aber nach dem Frost wieder Tageshöchstwerte über 15°C erreicht werden, warten wir auf den nächsten Frosttag und beginnen erneut die 21 Tage abzuzählen. Wer nicht jeden Tag Temperaturdaten beobachten will, kann sich die Tagestemperaturen wochenweise auf der ZAMG Homepage anschauen. Einfach über den folgenden Link eine der TAWES-Stationen in seiner Nähe wählen und schon sieht man den  Temperaturverlauf der letzten Woche: https://www.zamg.ac.at/cms/de/wetter/wetterwerte-analysen/tawes-verlaufsgrafiken
Wie wir die Restentmilbung durchführen, werden wir euch in der Dezemberausgabe genauer beschreiben.

Generell gibt es im November nicht viel zu tun. Es ist aber noch ein idealer Zeitpunkt, um Gehölze zu pflanzen, wenn man seinen Bienen etwas Gutes tun möchte.

Honigvermarktung

Die Zeit, die wir jetzt haben, können wir nutzen, um uns über unsere Vermarktung Gedanken zu machen. Marian war diesen Sommer am Balkan unterwegs. In Serbien, Bosnien, Kroatien und Montenegro gibt es viele kleine Imker*innen die meist ihren Honig am Straßenrand in kleinen Ständen verkaufen. Übliche Preise – auch fern von touristischen Gebieten – waren 6-10€ für 500g Honig. Wenn man das Einkommen am Balkan mit dem Honigpreisen vergleicht, müsste der Honig umgerechnet auf Österreich ein Vielfaches kosten. Österreich ist aber eines der Länder mit den niedrigsten Honigpreisen in Europa! Warum das so ist, wird sehr gut im ersten Teil der Netflix-Dokumentation „Verdorben – Anwälte, Waffen und Honig “ erklärt. Da geht es in erster Linie um den Honigmarkt der USA. Was aber für uns sehr interessant ist: der zweitgrößte Markt für Honighandel ist unser Nachbar Deutschland, der auch den österreichischen Markt mit Billighonig aus der ganzen Welt schwemmt. Große Handelsfirmen importieren Honig aus der ganzen Welt und mischen diesen zu den uns bekannten Mischhonigen aus dem Supermarkt, der als „Honig aus EG und nicht EG-Ländern“ gekennzeichnet ist. Wir Imker*innen orientieren uns leider viel zu oft am Honigpreis im Supermarkt. Mittlerweile sollte uns klar sein, dass wir mit diesen billigen Mischhonigen preislich nie mithalten werden können. In letzter Zeit wurde vermehrt nachgewiesen, dass besagte Mischhonige gestreckt werden mit Reissirup und unter niedrigeren Produktionsstandards hergestellt werden. Auch spielen geringe Lohn- und Produktionskosten eine große Rolle. Unsere Aufgabe als Imker*innen sollte sein, die Kund*innen aufzuklären, dass mit ausländischem Honig keine regionale Bestäubung gesichert wird, keine Garantie für faire Entlohnung und Arbeitsbedingungen vorliegen und auch ein Teil dieses Honigs bereits nachweislich immer wieder gepantscht worden ist. Unser Honig muss sich somit von den Mischhonigen sofort unterscheiden lassen. Das kann im Honigpreis, der Aufmachung oder im Verkaufskonzept sein. Hier nun unsere Wege, wie wir
auf unsere Honigpreise kommen:

Honigstand und Sliwowitz am Straßenrand im Nationalpark Durmitor, Montenegro. Honigpreis: 5€/250g

Marians Berechnungen

Ich betreibe meine Imkerei im Haupterwerb. Für mich sind Zahlen eine wichtige Grundlage, um einen angemessenen Honigpreis zu ermitteln. Was kostet mich die Produktion eines Kilogramms Honig? Zahlt es sich aus, die Beuten selbst herzustellen? Wenn ich Königinnen und Völker vermehre, habe ich weniger Honig – was zahlt sich für mich mehr aus? Um mir meine Fragen beantworten zu können, braucht es eine Kostenwahrheit bei meinen Ausgaben und der aufgewendeten Arbeit. Ich habe begonnen, alle Einkäufe in eine Tabelle einzutragen und Arbeitszeitaufzeichungen zu führen. In den ersten Jahren etwas schlampig,
deshalb habe ich keine genauen Werte; seit 2015 etwas genauer. Aus diesen Aufzeichnungen ergibt sich folgendes Bild: Mit der Erfahrung, steigender Anzahl an Völkern und Einsatz von technischen Hilfsgeräten hat sich der Arbeitsaufwand pro Volk bei mir stark verringert. Der Arbeitsaufwand beinhaltet alle Arbeiten an den Ertragsvölkern, Honigschleudern, Materialvorbereitung und Wachsverarbeitung. Nicht enthalten ist: Honig abfüllen und Vermarktung.

Allenfalls ist ein Windschutz anzudenken falls die Stöcke sehr exponiert stehen. Langfristig ist bei solchen Ständen anzuraten, Sträucher an die Wetterseite zu pflanzen, die gleichzeitig auch eine Bienenweide sein können und eventuell auch Schatten spenden.

JahrAnzahl der ErtragsvölkerArbeitsaufwand/Volk
20113~45h
201325~25h
20157014
201912010

Jedem von uns ist klar: Bienenhaltung ist zeitaufwändig. Für die meisten Imker*innen ist die Bienenhaltung ein Hobby, deshalb wird dieser Arbeit oft kein finanzieller Wert beigemessen. Das ist der zweite Grund, warum Honig in Österreich unter seinem Wert verkauft werden kann: Die Mehrheit der Imker*innen hat ihr finanzielles Auslangen über eine andere Quelle gedeckt. Über den untenstehenden Link will ich euch meinen Produktionskostenrechner zukommen lassen. Alle hellblauen Felder könnt ihr selbst mit euren Zahlen füllen, um eure Fixkosten sowie variablen Kosten zu ermitteln. Teil der variablen Kosten sind Lohnkosten. Ich möchte euch einladen, eurer Arbeit einen Wert zu geben! Auch wenn ich meine Arbeit auf 0€/h setze entstehen für das Jahr 2019 Produktionskosten von ~10€/KG Honig. Zur Transparenz: meine Honigpreise im Glas belaufen sich auf Durchschnittlich 18€/kg (5-6€/250g und 8-10€/500g). Ca. 2/5 der Jahresernte wird im Großgebinde verkauft für 7,5€/kg. Meine Kalkulation ergibt somit für 2019 und der schwächsten Honigernte seit ich imkere einen negativen Gewinn. Das heißt mit den Preisen kann ich meine Produktionskosten nicht decken! Ich werde dieses Jahr entweder meine Preise anpassen oder den Anteil an Direktvermarktung ausbauen müssen.

Anzahl Völker100Variable Kosten pro KG Honig7,65 €
Honigernte3600Fixe Kosten pro KG Honig7,90 €
Durchschnittsernte/WV36Deckungsbeitrag pro KG Honig6,16 €
Arbeitszeit / Volk / Jahr10Gewinn pro KG Honig-1,74 €
Honigpreis/KG
3/5 direkt (18€/kg) 2/5
Großgebinde (7,5€/kg)
13,8Gesamtgewinn Honig-6.250,97 €

Ein weiterer Bestandteil der Berechnung sind die Produktionskosten für Völker und Königinnen. Auch hier möchte ich vor allem Imker*innen, die Auswinterungsvölker verkaufen, einladen, ihre Preise zu überprüfen. Mit Fixkosten von 165€ pro Auswinterungsvolk sind Preise um die 200€ für trachtreife Völker im Frühling mehr als gerechtfertigt!


Link zum Download des Produktionskostenrechners: www.biezen.at/download

Katrinkas Preispolitik

Katrinka lässt die Konsument*innen selbst entscheiden, wie viel sie für ihren Honig bezahlen möchten. Diese nehmen sich den abgefüllten Honig eigenständig und werfen das Geld, das sie dafür bezahlen, in ein Glas. Um verstehen zu können, warum sie sich für dieses Konzept entschieden hat, sind hier ein paar Gedanken:

Ein gutes Leben für alle ist möglich.
Wir leben in einer Welt voller Reichtum. Die Erde hat genug Ressourcen, damit jedes Leben seine Bedürfnisse erfüllen kann. Wir leben aber auch in einem System, das uns lehrt, dass Knappheit herrscht. Lebensnotwendige Dinge wie Wasser, Saatgut und Erde sind und werden privatisiert. Wer Zugang will, muss zahlen. Diese Eigentumsverhältnisse nehmen wir als gegeben hin. Sie beeinflussen unsere Lebensweise und machen uns Angst, nicht genug zu
haben. Deshalb sind wir damit beschäftigt, uns Sicherheiten zu schaffen, die wir vermeintlich brauchen, um überleben zu können. Uns fehlt die Zeit und Kraft, um mit unserem Handeln Verantwortung für die Gesellschaft und das Ökosystem zu übernehmen oder uns überhaupt Alternativen zu überlegen.

Solidarität muss Praxis werden.
Obwohl es genug für alle gibt, sind auf der ganzen Welt viele Menschen weit von einem guten Leben entfernt. Verteilungsgerechtigkeit erscheint momentan wie eine unerreichbare Utopie, denn derzeit verfügen einige wenige über den Großteil der Ressourcen. Die anderen arbeiten, weil der Zugang zu Geld für sie daran gekoppelt ist. Doch nicht jede Arbeit ist bezahlt, und selbst wenn, dann sehr ungleich. Ein kleiner Spielraum, der uns bleibt, um mit
gesellschaftlichen Ungleichheiten umzugehen, ist solidarisches Handeln! So können Netzwerke entstehen, die soziale Sicherheit schaffen.

Viele Probleme erscheinen uns individuell, obwohl sie dadurch entstehen, wie wir uns als Gesellschaft organisieren. Solidarische Netzwerke können das abfedern. Wer sich auf Unterstützung verlassen kann, wenn er oder sie krank sind, braucht nicht zu konkurrieren, um vorzusorgen. Dadurch entsteht Raum, um gemeinsam zu entscheiden, wie wir unser Zusammenleben organisieren wollen.

 
Freie Preise
Das Konzept der freien Preise ist nur ein kleiner Versuch, mit gesellschaftlichen Ungleichheiten umzugehen. Die gewohnte Tauschökonomie soll mit einer bedürfnisorientierten Praxis durchbrochen werden. Im Idealfall geben Menschen mit mehr finanziellen Mitteln mehr, während Menschen mit weniger Geld weniger bezahlen. Das Ziel ist auch, dass bei den Menschen ein Nachdenken einsetzt. Für viele ist es neu, auf die Frage nach dem Preis keine Antwort zu bekommen. Stattdessen stellen sie sich dann selbst die Frage, wieviel sie zur Verfügung haben, welche Bedürfnisse sie damit erfüllen wollen, wie wichtig ihnen der Honig ist oder auch wie sehr sie die Arbeit wertschätzen, die dahintersteckt.


Die Erfahrung zeigt: es geht sich immer aus – entgegen vieler Erwartungen.

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